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Medienschau Juni 2020

Medienschau Juni 2020

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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10. Juli 2020 / Medien
Die Stadt Zürich rüstet sich für die neuen Senioren. Denn die, so weiss man aus Befragungen, wollen eher nicht in einem Altersheim leben, sondern möglichst in den eigenen vier Wänden, selbst bestimmt und ambulant betreut, wenn es nötig wird. Die Medien im Juni schrieben zwar noch über Corona, aber es gab auch andere Geschichten. Etwa über Hospizwohnungen, Sterbebegleitung für Menschen mit Migrationshintergrund und eine Liebesgeschichte, die über den Tod hinaus gehen.
«Pflegeheime haben ausgedient» schrieben verschiedene Medien über die neue Altersstrategie der Stadt Zürich. 24'000 über 80-Jährige werden im Jahr 2035 voraussichtlich Stadt Zürich leben. Das ist ein Fünftel mehr als heute, was einem Wachstum von 20 Prozent entspricht. Das seien «neue Alte», die anders als ihre Eltern seien, Snowboard gefahren, zu Techno getanzt haben und mit der Digitalisierung vertraut seien, zitiert etwa der «Zürcher Oberländer» (Artikel nicht online verfügbar) den zuständigen Stadtrat Andreas Hauri. «Deshalb muss sich auch das Angebot in der Stadt Zürich individualisieren.» Weil ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt und im gewohnten Umfeld leben wollen, schraubt die Stadt die Zahl der Pflegeplätze um bis zu 600 reduzieren. Ziel sind in den Quartieren verankerte Gesundheitszentren, wo Platz für Wohnen mit Betreuung geschaffen werden können. Um dies zu ermöglichen, sollen ambulante Dienste gestärkt werden. Zudem sind altersdurchmischte und gemeinschaftliche Wohnkonzepte vorgesehen, schreibt das «Tagblatt der Stadt Zürich» (siehe Link, Seite 11), in denen Alters-WGs, Clusterwohnungen oder weitere spezifische Angebote für LGBT, Migrationsbevölkerung oder Gemeinschaften mit gleichen Interessen gefördert werden.


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Palliative Care kommt vornehmlich Krebspatienten zugute. Von den 5900 Personen, die 2018 in Schweizer Spitälern palliativ behandelt wurden, wiesen etwas mehr als acht von zehn der Behandelten einen Tumor auf. Dabei wurden Palliativpatienten, die während des Spitalaufenthalts starben, intensiver und länger stationär betreut als Verstorbene ohne erfolgte Palliative Care, heisst es in einem Artikel der Online-Plattform «nau.ch» zu einer Erhebung des Bundesamts für Statistik. Erstere kamen in den letzten zwölf Monaten vor ihrem Tod durchschnittlich 3,6 Mal ins Spital. Sie waren im Durchschnitt insgesamt 49 Tage hospitalisiert. Letztere wurden 2,7 Mal ins Spital eingewiesen und verbrachten dort insgesamt 29 Tage. Im Schnitt wurden die im Spital verstorbenen Personen bei erfolgter Palliativer Care 71,0 Jahre alt. Ohne Palliative Care starben die Patienten mit 75,9 Jahren. Das ist so zu erklären, dass Personen mit einer Tumorerkrankung deutlich früher als jene sterben, als solche an einer Krankheit des Kreislaufsystems oder des Atmungssystems leiden. Rund 39 Prozent der 2018 in der Schweiz Verstorbenen starben laut der Erhebung in einem Spital.
«Die meisten Bewohner bleiben drei bis sechs Wochen. Sie können mit dem Leben abschliessen und sterben in Frieden.» Cornelia Herzog-Helg, Geschäftsführerin Krebsliga Thurgau

Die Thurgauische Krebsliga eröffnet im September in Frauenfeld die dritte Sterbewohnung des Kantons. Die erste Sterbewohnung wurde 2007 in Weinfelden eröffnet, vor zwei Jahren wurde eine weitere in Kreuzlingen eröffnet, wie die «Thurgauer Zeitung» (Artikel kostenpflichtig) schreibt. Die Nachfrage ist gross, wie Krebsliga-Geschäftsführerin Cornelia Herzog-Helg erklärt. Man habe die 34 Anfragen aus der Region Frauenfeld im letzten Jahr nicht bedienen können. Um die Kosten für die Hospizwohnungen tiefer halten zu können als in einem Hospiz, sind die drei Wohnungen jeweils einem Alterszentrum angegliedert. «Die meisten Bewohner bleiben drei bis sechs Wochen. Sie können mit dem Leben abschliessen und sterben in Frieden», sagt Geschäftsführerin Herzog-Helg. Doch seien auch mehrere Monate Aufenthalt möglich. Die Wohnung im Frauenfelder Alterszentrum Stadtgarten besteht aus zwei Zimmern mit Balkon, Bad und Küchenzeile. Möbel können selber mitgebracht werden. Auch Besuch ist jederzeit möglich, der auf einem Zusatzbett übernachten kann. Um Pflege und Betreuung kümmern sich der Pflegedienst des Alterszentrum, Palliative-Care-Spezialistinnen sowie die Krebsliga. Die Miete von 1'500 Franken sowie eine Pensionstaxe von 192 Franken pro Tag müssen selbst bezahlt werden. Stehen die Wohnungen leer, übernimmt die Krebsliga die Mietkosten.

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Wie begleitet man Menschen beim Sterben, die einem anderen Kulturkreis angehören, vielleicht eine andere Sprache sprechen? Um solche Menschen besser betreuen zu können, bildet der bayerische Hospizverein «DaSein» Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund zu Begleitern aus. Wer aös Sterbebegleiter oder -begleiterin einen ähnlichen kulturellen Hintergrund hat, verstehe am besten, wo sich der Sterbende «gerade bewege», sagt Projektleiterin Yasemin Günay gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Das Projekt hat den bayerischen Integrationspreis gewonnen

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Auch Deutschland muss sich immer mehr neuen Bestattungsformen öffnen. «Friedhöfe sterben aus» berichtet «ZDF heute». «Man hat eine ganz andere Beziehung, wenn man sich schon im Vorfeld einen Baum ausgesucht hat, als wenn man dann bei der Beerdigung auf den Friedhof kommt», sagt Nicole Kaiser über die Eiche, die sie sich gemeinsam mit ihren Eltern ausgesucht hat. Die klassische Friedhofsbestattung mit aufwendiger Grabpflege sei out, heisst es im Bericht. Das sei oft auch den grossen Entfernungen von Familienmitgliedern geschuldet, aber auch mit einer Entfernung von der Kirche und ihren Ritualen.
«Das Sterben ist für Mediziner ein wichtiges und wiederkehrendes Thema im Arbeitsalltag.» Professor Reinhard Lindner, Universität Kassel

Im «Leitlinienprogramm Onkologie» der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und der Deutschen Krebshilfe (DKH) ist die «Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung» veröffentlicht worden. Wie die deutsche «Ärztezeitung» berichtet, wurden dafür die Inhalte aller ursprünglich sieben Kapitel auf Aktualität geprüft und wo nötig aktualisiert worden. Zudem seien acht neue Kapitel hinzugekommen, wie etwa Therapiezielfindung und Kriterien der Entscheidungsfindung, Fatigue, Angst oder Todeswünsche. «Das Sterben ist für Mediziner ein wichtiges und wiederkehrendes Thema im Arbeitsalltag», wird Professor Reinhard Lindner von der Universität Kassel zitiert. Unter diesem Aspekt könnten Geriater noch viel von Palliativmedizinern lernen. Sehr viele Geriater und Palliativmediziner hätten Sorge, Todeswünsche aktiv anzusprechen, aus Furcht, schlafende Hunde zu wecken, so Lindner weiter. «Aus wissenschaftlich-evidenter Sicht ist dem aber überhaupt nicht so – im Gegenteil: Das direkte Ansprechen von Todeswünschen hilft, in ein sehr wichtiges existenzielles Gespräch zu kommen, das auch Entscheidungen in der weiteren Therapie beeinflusst.»

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2019 haben im Kanton Aargau 2019 haben rund 250 Personen im Palliative-Care-Begleitdienst der Landeskirchen 463 schwer kranke oder sterbende Menschen begleitet und sage und schreibe 7567 Stunden als Freiwillige geleistet. Während den Monaten im Lockdown hätten die Freiwilligen hätten die Möglichkeit der persönlichen Begleitung sehr vermisst, heisst es in einem Artikel der «Aargauer Zeitung» (Artikel kostenpflichtig). Doch sie hätten sich auch in dieser Zeit mit viel Fantasie telefonisch und schriftlich um Menschen mit Betreuungsbedarf gekümmert. Inzwischen wurde der Palliative-Care-Begleitdienst für schwer kranke und sterbende Menschen in Institutionen und in häuslicher Pflege mit ausgebildeten Freiwilligen wieder aufgenommen. Vorgaben und Schutzkonzepte der jeweiligen Institutionen würden beachtet, für Einsätze ausserhalb von Institutionen sei ein eigenes Schutzkonzept erstellt worden.

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Eine traurig-schöne Geschichte zum Schluss gibt es von der «Luzerner Zeitung». Dort waren in den letzten Wochen gleich drei Todesanzeigen für dieselbe Verstorbene aufgefallen. Nicht von unterschiedlichen Trauernden, sondern immer von ihrem Ehemann Theo Küchler verfasst. Geplant war eine grosse Feier, eine «Diamantene Hochzeitsbeisetzung» Fest mit rund 100 geladenen Gästen, in Erinnerung an fast 60 Ehejahre, samt Kapelle und Tanz. Doch wegen Corona kann die Trauerfeier noch nicht stattfinden. «Das Leben von meiner lieben Dorothea, Dée, war in allen Belangen so vorbildlich, auch in Bezug auf Gott und die Schöpfung, dass das Coronavirus die Würde dieser Frau nicht schmälern darf», schrieb der Wittwer in der mit Herzen und Schmetterlingen geschmückten Todesanzeige vom 9. Mai, mit der er die Feier auf den September verschob. Ein Pfarrer und Servierpersonal mit Maske – das kann er sich nicht als würdevollen Abschied vorstellen.
Zwar ist seine Frau Dorothea bereits im letzten Herbst gestorben. Dass sie erst später in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt würde, hätten sie so abgemacht. «Und so wie ich ihr ewige Treue versprochen habe, so will ich auch in diesem Punkt Wort halten», sagt Theo Küchler.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner