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Medienschau März 2018

Medienschau März 2018

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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08. April 2018 / Medien
Die St. Galler Regierung will Palliative Care im Gesetz verankern, was bisher nicht der Fall gewesen war. Der Regierungsrat hat zu diesem Zweck einen Nachtrag zum kantonalen Gesundheitsgesetz entworfen und unterbreitet diesen nun dem Kantonsrat. Die Palliativmedizin soll neben Prävention, Kuration und Rehabilitation als vierte Säule in der öffentlichen Gesundheitspflege verankert werden. Der vorgeschlagene Gesetzestext besagt, dass der Staat Massnahmen im Bereich der Palliative Care fördern müsse. Er könne dazu mit öffentlichen oder privaten Organisationen zusammenarbeiten oder diese finanziell unterstützen. In der Vernehmlassung sei die gesetzliche Grundlage für Palliative Care fast durchwegs als wichtig und notwendig bezeichnet worden, schreibt das «St. Galler Tagblatt».

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Der Glarner Regierungsrat ist in der Frage, wie er Palliative Care fördern will, bereits einen Schritt weiter. Im Rahmen der sogenannten «Drehscheibe Gesundheit» plant er eine Koordinationsstelle für Palliative Care. Diese wird in einem Pilotversuch erstmals vier Jahre getestet. Laut der Glarner Ausgabe der «Südostschweiz» soll diese Stelle einerseits kranke Menschen und ihre Angehörigen telefonisch, elektronisch oder auch vor Ort beraten und ihnen geeignete Dienstleistungen vermitteln. In komplexen ambulanten Pflegesituationen könne sie andererseits gar die Fallverantwortung übernehmen. Eine Arbeitsgruppe hatte im Vorfeld festgestellt, dass für die Palliative Care im Kanton Glarus bereits viel unternommen worden sei. Es bestünden aber immer noch Lücken, vor allem was die Vernetzung der verschiedenen Leistungen betreffe, aber auch in der Finanzierung. Für den Aufbau und den Betrieb der Drehscheibe beantragt die Regierung dem Parlament 900 000 Franken.

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Die Sterbehilfeorganisation Exit soll neu Zutritt haben zu Solothurner Altersheimen. Im Kanton Solothurn hat bisher eine Weisung des Amtes für soziale Sicherheit Alters- und Pflegeheimen verboten, Dienste von Sterbehilfeorganisationen zuzulassen. Nun hat die Grenchner GLP-Politikerin Nicole Hirt mit ihrem Vorstoss zu einer liberaleren Regelung offene Türen eingerannt. Sie begründete ihre Anfrage mit dem Argument, es sei für Sterbewillige nicht zumutbar, dass sie «eine vorletzte Reise vor der letzten Reise antreten» müssen, schreibt die «Solothurner Zeitung». Nun stellte sich heraus: Die kantonale Fachkommission Alter ist bereits seit einem Jahr daran, diese Praxis zu überprüfen. Der Regierungsrat plant keine neue verbindliche Weisung, die etwa besagt, dass die Heime Sterbehilfe zulassen müssen. Sondern er überlässt die Entscheidung den Institutionen. Sie sollen künftig selbst bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sie Beihilfe zum Suizid in ihren Räumen zulassen. Als Orientierungshilfe will die Regierung ein Merkblatt erarbeiten, dass sich auf die neu überarbeiteten Richtlinien der Schweizerischen Akademie für medizinische Wissenschaften (SAMW) abstützt.

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Die Ärzteschaft moniert, der Begriff «unerträgliches Leiden» sei zu unklar,
da er von der Einschätzung der Patient_innen abhänge.

Diese neuen Richtlinien der SAMW zum «Umgang mit Sterben und Tod», die bis Ende Februar in der Vernehmlassung waren, stossen ausgerechnet bei ihrer Hauptzielgruppe auf die grösste Kritik: Die Ärzteverbindung FMH kritisierte die Lockerung bezüglich der Beihilfe zum Suizid. Es geht um die Frage, wann Ärzt_innen das todbringende Medikament verschreiben dürfen. Bisher galt laut SAMW die Möglichkeit der Suizidhilfe lediglich für Menschen, deren Krankheitsstadium einen nahen Tod wahrscheinlich macht. Neu soll die Voraussetzung für ein Natrium-Pentobarbital-Rezept ein «unerträgliches Leiden» sei. Die Ärzteschaft moniert, der Begriff «unerträgliches Leiden» sei zu unklar, da er von der Einschätzung der Patient_innen abhänge. Besonders problematisch sei er bei psychischen Krankheiten. Die FMH fordert, die Suizidbeihilfe auf Menschen zu beschränken, die an einer tödlichen Krankheit leiden. Die Sterbehilfeorganisation Exit hingegen lobt die Anpassungen der Richtlinien an die «heutige Zeit», wie der «Bund» schreibt. Sie würde den Massstab sogar noch tiefer ansetzen. Nicht unerträglich müsse das Leiden sein, sondern lediglich «gross».

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Die Sendung «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF ging Ende März der Frage auf den Grund, weshalb die Schweiz über zu wenig Hospizbetten verfügt. Dazu besuchte eine Radiojournalistin das Hospiz Brugg im Aargau. Von den zehn Personen, die während der Reportage dort lagen, litten die meisten an Krebs im Endstadium. Um Chemotherapien oder Operationen gehe im Hospiz allerdings nicht mehr, stellte sie fest, «hier stehen andere Behandlungen im Vordergrund.» Laut der Pflegeleiterin Regula Ziehler seien für Palliativpatient_innen Zuwendung, Hinschauen und Dasein das Wichtigste. «Aber Liebe und Zuwendung stehen nicht im Leistungskatalog.» Es belaste sie zu wissen, dass das, was der sterbende Mensch brauche, nicht bezahlt werde. Das Hospiz rechnet wie ein Pflegeheim ab, nimmt sich für die Betreuung jedoch drei Mal mehr Zeit. Deshalb gebe es Finanzierungslücken, die das Heim versucht, mit Kleinspenden zu decken. «Zeitweise war das Hospiz schwer defizitär.» Für viele junge Patient_innen sei ein Pflegeheim keine Option, sagt Sabine Moser vom Brückendienst Luzern. Und die Palliativabteilungen in den Spitälern seien einerseits viel teurer als Hospize, andererseits sei die Aufenthaltszeit dort wegen der Fallpauschalen begrenzt. «Weil die Leute nicht unbedingt den richtigen Platz für sich finden, wird manchmal auch Exit ein Thema, die assistierte Suizidbeihilfe», so Moser. Der Bund hat eine Studie in Auftrag gegeben, die den Nutzen von Hospizen belegen soll. Ausserdem heisst es beim Bundesamt für Gesundheit, die Fallpauschalen seien für die palliative Pflege nicht geeignet. Zudem müsse diskutiert werden, ob die öffentliche Hand mehr an Hospize bezahle.

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Die Bündner Regierung hat dies möglich gemacht. Graubünden hat im März als einer der ersten Kantone Unterstützungsbeiträge an ein Hospiz gesprochen, schreibt die «Südostschweiz». Geplant ist das Hospiz im Alterszentrum Senesca in Maienfeld. Die Regierung hat 400 000 Franken jährlich zugesichert für die Periode von 2019 bis 2021. Graubünden hat laut «Bündner Kirchenbote» in der Palliative Care die Nase vorn, verfügt das Kantonsspital auch über die grösste Palliativstation der Schweiz.

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Im März nahm der «Beobachter» das Thema der nutzlosen Patientenverfügungen auf. Der Artikel «Missverständnis in höchster Not» legt dar, dass viele Verfügungen ungenau formuliert sind. Was heisse zum Beispiel «keine Schläuche»? Keinen Katheter, keine Infusionen oder keine Beatmungsschläuche? In weniger als einem von zehn Fällen kann Tobias Merz, leitender Arzt der Intensivstation am Inselspital Bern, dem Dokument Infos entnehmen, die seine medizinischen Entscheidungen vereinfachen. Wegen vieler Patientenverfügungen gerät der Mediziner sogar in ein Dilemma. Er schildert ein Beispiel, bei dem ein Mann nach einem Herzinfarkt plötzlich Herzrhythmusstörungen bekam, und das Herz schliesslich stillstand. In seiner Verfügung stand, dass er nicht reanimiert werden wolle. Das Ärzteteam wusste jedoch, dass nur ein Stromstoss den Kreislauf wieder in Gang setzen würde und der Mann bei bester Gesundheit überleben werde. Merz rettete den Patienten schliesslich, indem er die Verfügung nicht buchstabengetreu umsetzte.
«Man kann sagen,
dass Patientenverfügungen gescheitert sind.»
Tanja Krones, Medizinethikerin am USZ

Die Luzerner Rechtsprofessorin Regina Aebi-Müller will das Gesetz aufweichen. Sie fordert, dass der «mutmassliche Willen» eines Patienten mehr Gewicht erhalte. Auch Tanja Krones, Medizinethikerin am Universitätsspital Zürich, sagt: «Man kann sagen, dass Patientenverfügungen gescheitert sind.» Nicht die Idee, aber ihre Umsetzung. Wichtig seien Gespräche zwischen Ärzt_innen und Patient_innen, auch über heikle Themen, sagt Krones. Der Grossteil ihrer Ethikfälle wäre vermeidbar, wenn diese früher und ausführlicher stattfinden würden. Juristin Aebi-Müller fordert denn auch, dass die Krankenkassen Gespräche mit dem Arzt über Patientenverfügungen bezahlten.

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Der «Deutschlandfunk» widmete im März einem topaktuellen und gleichzeitig tabuisiertem Thema eine ausführliche und hörenswerte Reportage: Gewalt in der häuslichen Pflege. Gewalt sei sowohl in der häuslichen als auch der stationären Pflege kein Einzelfall, sagt Cornelia Schweppe, Professorin für Soziale Arbeit in Mainz. Eine Altersforschungsstudie in Frankfurt zeigt, dass versorgungsabhängige Menschen im Alter verschiedene Formen von Gewalt erleiden: körperliche und psychische Gewalt, aber auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Es gehe nicht darum, das Problem zu personalisieren, also mit dem Finger auf die Täter_innen zu zeigen, sondern Abhilfe zu schaffen. Schuld seien nämlich die zugrunde liegenden Strukturen: 70 bis 80 Prozent der Menschen in Deutschland werden im häuslichen Setting gepflegt. Die Familien bekämen nur unzureichende Unterstützung. «Die Überlastung der Familie ist gewaltfördernd», sagt Schweppe. Expert_innen fordern, ähnliche Einrichtungen und Massnahmen wie im Jugendschutz. Dort helfen Familiengerichte, -helferinnen, Jugendamt, Ombudsstellen und Hotlines. Rechtswissenschaftlerin Gisela Zenz versuchte bereits mehrfach, solche Vorschläge in politische Gremien zu tragen, aber ohne Erfolg. Ebenfalls hilfreich wäre, wenn ein Recht auf gewaltfreie Pflege ins Gesetzbuch geschrieben würde. Das Bundesland Hessen hat dies bereits getan. Auch einige andere Länder seien in dieser Frage weiter: Die USA verfügen über ein Meldewesen für Gewalt gegenüber Älteren, und Japan kann die Behörde ältere Menschen aus einer Wohnung entfernen, wenn ihnen Gewalt angetan wird.

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Eine deutsche Palliativmedizinerin schreibt unter dem Pseudonym Hannah Haberland auf, was sie in ihrer Arbeit in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) erlebt . Ihr Buch «Letzte Begegnungen» wurde diesen Februar veröffentlicht. In einem Interview mit dem «Spiegel» erzählt sie unter anderem, woran Angehörige denken müssen, wenn sie jemanden zu Hause bis in den Tod pflegen. Zum Beispiel, dass sie sich – anders als wenn ihr. Angehöriger im Hospiz oder Spital gepflegt wird – aktiv Freiräume schaffen müssen. Sie plädiert dafür, zusätzlich einen Pflegedienst zu beauftragen, der unterstützt. Sie bereite Angehörige auf Symptome wie terminale Unruhe oder die Rasselatmung vor. Ihrer Erfahrung nach würden viele Sterbende noch auf etwas warten, zum Beispiel auf den Bruder, der noch aus dem Ausland anreist. «Da liegt jemand schon im Sterben und ist gar nicht mehr ansprechbar. Aber das Gehör ist das letzte, was geht, sagt man. Und dann kann der wirklich nicht gehen, bevor nicht der Bruder aus Nicaragua durch die Tür gekommen ist. Deswegen lohnt es sich, so einen Wunsch noch zu erfüllen.»

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Auf Focus.de ist eine von Haberlands Geschichten nachzulesen: Der 70-jährige Herr Müller hat Lungenkrebs, will sich aber keiner lebensrettenden Chemotherapie unterziehen. Er sagt, er habe nun 50 Jahre lang «geraucht, gesoffen und gehurt», jetzt reiche es. «Ich möchte mich nicht aufschneiden lassen, in der Klinik liegen, fett werden, dann Chemo, dann gehen mir auch noch die Haare aus… nein, das entspricht nicht dem Bild, das ich von mir habe.» Haberland erkennt, dass der Patient weniger Angst vor dem Tod als davor hat, die Kontrolle über seinen makellosen Körper zu verlieren. Sie nimmt sein Anliegen ernst. Ihr Palliativteam betreut Herrn Müller noch ein gutes Jahr, bis er stirbt. «Und er lebte gut.»

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Der bekannte deutsche Arzt und Buchautor Matthias Thöns macht sich im März erneut gegen die «Überversorgung» stark. Er plädiert in einem Gespräch mit der «Kreiszeitung» für den Ausbau der Palliativmedizin. Ein tragender Pfeiler sei dabei ein Netz aus Hausarzt und speziellem Palliativteam. «Hausärzte sind die Torhüter gegen Übertherapie», sagt er. Sie steuerten die Versorgung, nicht nur am Lebensende. Der gute Hausarzt kenne die Wünsche der Patienten und die Situation der Familie genau. Er werde frühzeitig zu palliativer Mitversorgung statt zu Intensivmedizin und Chemotherapie bis in die letzten Lebenswochen raten.

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«Chemotherapie am offenen Grabe»
werde einem Fünftel aller Krebspatient_innen noch aufgedrängt.

In die gleiche Kerbe haut auch Werner Bartens, Autor der «Süddeutschen Zeitung» und zwar mit deutlichen Worten. Er führt in seinem Kommentar aus, dass moderne Krebsbehandlungen Todkranken oft wenig helfen, dafür ihr Leiden noch verschlimmern würden. Die Bilanz der Krebsmedikamente, die seit 2009 auf den Markt gekommen sind, falle ernüchternd aus, schreibt er. Die Mehrzahl habe keinen Zusatznutzen: Weder verlängern sie das Leben noch lindern sie Beschwerden. Er stützt sich dabei auf eine aktuelle Studie, die kürzlich im «British Medical Journal» vorgestellt wurde. Solche Erkenntnisse würden in der Fachwelt aber kaum wahrgenommen, weil sie «dem ärztlichen Weltbild widersprechen, wonach Therapien immer besser werden». Die Leidtragenden seien dabei die Patient_innen. Und auch die Minderheit der Onkologika, die das Leben um durchschnittlich 80 Tage verlängern, geht mit heftigeren Nebenwirkungen einher als die Standardtherapien. Die Denkmuster vieler Mediziner würden den Blick darauf vernebeln, was eigentlich zählt: die Bedürfnisse der Patient_innen. Aktionismus gelte oft als besser, als nichts zu tun. Das sture Weiterbehandeln nennt Bartens «Chemotherapie am offenen Grabe». Sie werde einem Fünftel aller Krebspatient_innen noch aufgedrängt.

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Die Radiosendung «Treffpunkt» widmete sich an Karfreitag eine Stunde lang dem Reden übers Sterben. Die ins Studio eingeladene Palliativ-Pflegefachfrau Nelly Simmen sagte, man könne dem Tod etwas von seinem Schrecken nehmen, indem man über ihn spreche. Ganz konkret helfe schwerkranken Menschen und ihren Angehörigen das Wissen, was im Sterbeprozess auf einen zukomme. In einer eindrücklichen Reportage erzählt eine Witwe, die vor dreieinhalb Jahren ihren Mann verlor, dass sein Sterben ein acht Stunden dauernder Kampf gewesen sei. Sie sagte auch, wie schwierig sich das Weiterleben ohne ihn gestalte. «Ich fühle mich nicht mehr komplett. Ich hatte mehr Kraft und Stärke an seiner Seite.» Auch eine Hörerin, die sich per Telefon ins Gespräch einschaltete, meinte, sie habe sich ein komplett neues Leben erarbeiten müssen, als ihr Mann bereits mit 38 Jahren gestorben sei. Den Sterbeprozess mitzuerleben, bezeichneten beide Witwen aber auch als etwas «Heiliges» und verglichen ihn mit der Geburt. Fachfrau Simmen plädierte dafür, dass Menschen im Sterbeprozess eine gute Lebensqualität hätten. Sie sollten sich wie in einem «Nest» geborgen fühlen.

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Die «Zeit online» beschreibt im Rahmen ihrer Serie «Der Tod ist gross» eine Avantgarde von Menschen, die den Tod zurück ins Leben holen wollen. «Eine grösser werdende Gruppe von Menschenruft immer lauter: Wir übersehen da etwas», heisst es im Text. Der Tod finde langsam zurück in die Öffentlichkeit. Juliane Uhl ist Mitte dreissig und macht in Halle Werbung für den Tod. Sie leistet Öffentlichkeitsarbeit für ein Krematorium und organisiert Veranstaltungen, die über Tod und Sterben aufklären, zum Beispiel den Death Slam, einen Poetry-Slam mit Texten über den Tod. Es sei aber immer noch eine kleine Gruppe, die sich für den Tod interessiere. Die Mehrheit wolle ihn aus dem Alltag verdrängen.
Er ist der Meinung, dass es in einer Gesellschaft,
die sich besser um ihre Toten kümmert,
auch den Lebenden besser geht.

Das Sterben ist in den vergangenen Jahrzehnten unsichtbar geworden. Soziologe und Theologe Werner Gonemeyer erzählt, wie er in den 50er-Jahren seine Grossmutter nach einem Schlaganfall habe zu Hause sterben sah. Heute würde sie wochenlang im Krankenhaus liegen und danach an einer Lungenentzündung sterben, mutmasst er. Durch die Professionalisierung und Institutionalisierung des Sterbens hätten wir uns vom Tod entfremdet. Dem will zum Beispiel der Bestatter Eric Wrede in Berlin-Neukölln entgegenwirken. Er ist der Meinung, dass es in einer Gesellschaft, die sich besser um ihre Toten kümmert, auch den Lebenden besser geht. Er bezieht die Angehörigen möglichst in den Abschied, in das Herrichten der Toten, mit ein. Die Feier solle so individuell wie möglich gestaltet werden. Das sei allerdings nicht auf allen Friedhöfen möglich. Zum Beispiel sei laute Rockmusik nicht überall gestattet.
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