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Mit zwei Pionieren der Palliative Care unterwegs

Mit zwei Pionieren der Palliative Care unterwegs

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25. Juli 2022
Sie haben Pionierarbeit in der Begleitung von unheilbar kranken Erwachsenen und Kindern geleistet: Roland Kunz und Eva Bergsträsser. Er, bis vor kurzem Ärztlicher Leiter am Zentrum für Palliative Care des Stadtspitals Zürich Waid. Sie, Leiterin der Pädiatrischen Palliative Care am Universitäts-Kinderspital Zürich. Die beiden stehen im Mittelpunkt des neuen Buches von Journalistin und Autorin Rebekka Haefeli.
Nehmen wir es vorweg: das Buch «C’est la vie» von Rebekka Haefeli ist alles andere als eine trockene wissenschaftliche Lektüre, keine zähe geschichtliche Aufarbeitung der Palliative Care. Die Autorin nimmt die Leserin ganz einfach an die Hand und führt sie dorthin, wo Palliative Care jeden Tag gelebt wird, wo zwei wichtige Zentren dieser medizinischen Disziplin zu finden sind: auf die Palliativ-Abteilung im Stadtspital Waid und ans Universitäts-Kinderspital Zürich. In beiden Institutionen heftet Rebekka Haefeli sich an die Fersen des Pionieres / der Pionierin der Palliative Care: Roland Kunz und Eva Bergsträsser. Beiden ist es ein Anliegen, die Lebensqualität ihrer Patienten so lange wie möglich zu erhalten, ohne die Verlängerung des Lebens zwingend an die erste Stelle zu setzen. Dazu braucht es Schmerztherapien, aber auch psychologische, spirituelle und soziale Unterstützung, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind.

Man geht den Weg gemeinsam

Der erste Teil des Buches «C’est la vie» widmet sich dem Palliativarzt Roland Kunz und seiner Arbeit am Zentrum für Palliative Care im Stadtspital Zürich Waid. Wir begleiten ihn auf der morgendlichen Visite und lernen Frau Kupfer kennen, die im Nachthemd auf einem Stuhl vor dem Fenster sitzt und meint, die Nacht sei «ordeli» gewesen. Zur Unterstützung der Atmung hat sie zwei dünne Schläuche in die Nasenlöcher bekommen, die Sauerstoff abgeben. In einem anderen Zimmer treffen wir auf Frau Schlegel und ihren Mann. Frau Schlegel, Mitte sechzig, leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs und hat eine fortgeschrittene Demenz. Sie kann nicht mehr selbst entscheiden, ob sie operiert werden möchte, und ihr Ehemann fühlt sich in dieser Frage überfordert. Roland Kunz und sein Team nehmen sich Zeit für ihn. Denn einen Schwerpunkt bei seiner Arbeit setzt Kunz nicht nur bei den Erkrankten selbst, sondern auch bei deren Angehörigen. Er hilft ihnen, dass sie die Augen vor der Diagnose und vor dem Lebensende nicht verschliessen. Und man geht den Weg gemeinsam.

Für Roland Kunz ist die Tatsache, dass jeder seiner Fälle anders ist, das vielleicht Reizvollste an seinem Beruf als Palliativmediziner. Er sagt: «Es gibt kein Schema, das man auf alle Fälle anwenden könnte.» Und genau das sei die Herausforderung. In jedem Fall müssen wieder andere Behandlungs- und Betreuungsstrategien gefunden werden – manchmal auch solche, die vorher noch nie ausprobiert wurden. Und immer steht die Lebensqualität im Vordergrund der Bemühungen. Wenn die Heilung einer Krankheit nicht mehr das oberste Ziel ist, dann ist es jenes, dem Patienten das Dasein zu erleichtern und ihm doch noch Lebensinhalt zu geben. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen begreifen, dass es ein Gewinn ist, der Lebensqualität der Patienten Raum und Zeit zu geben», sagt Roland Kunz. Genau dafür hat er sich in seiner Laufbahn stets eingesetzt.

Im zweiten Teil treffen wir auf Eva Bergsträsser. Ihr Verdienst ist es, dass Palliative Care heute auch in der Kinder- und Jugendmedizin fest verankert ist. Am Kinderspital in Zürich hat sie ein einzigartiges, spezialisiertes Palliative-Care-Team aufgebaut, das über ein grosses Netzwerk auch ausserhalb der Klinik verfügt. Dem Team, welches seit 2008 mit einem kantonalen Leistungsauftrag arbeitet, gehören unter anderem Mediziner und Pflegende, Psychologinnen und eine Sozialarbeiterin an. Die interprofessionelle Gruppe kommt dann zum Einsatz, wenn Kinder an einer Krankheit leiden, die früher oder später zum Tod führen wird. Das Spektrum der jungen Patienten, um welche sich Eva Bergsträsser und ihren Mitarbeitenden kümmern, ist sehr breit. «Ein Neugeborenes muss palliativ vollkommen anders betreut werden als ein Jugendlicher», erklärt die spezialisierte Medizinerin. Dasselbe gelte für die Angehörigen: «Eine Mutter, die ihr Kind kurz nach der Geburt verliert, hat andere Bedürfnisse als eine Mutter, die von ihrem krebskranken Kind nach Jahren Abschied nehmen muss.» Eine palliative Behandlungssituation beim eigenen Kind zu akzeptieren, ist für die Familien oft schwer. Nach wie vor werde der Ausdruck «Palliative Care» mit dem vermeintlichen Aufgeben des Kindes gleichgesetzt. Mit der Hoffnungslosigkeit. Tatsächlich aber führe der Wechsel – weg von der auf Heilung ausgerichteten Therapie und hin zu einer Begleitung von Eltern und Kind – häufig zu einer Verbesserung der Lebensqualität. «Die Kinder bekommen einen Freiraum, der angesichts ihrer begrenzten Lebenszeit von grosser Bedeutung ist.»

Den Werdegang der beiden einfliessen lassen

Im Buch «C’est la vie» sind die Leserinnen und Leser mit den zwei Pionieren unterwegs in deren Alltag. Geschickt in diese Reportagen eingeflochten hat Autorin Rebekka Haefeli die Geschichte der Palliative Care in der Schweiz – jene der Erwachsenen und jene der Kinder – und damit auch den Werdegang von Roland Kunz und Eva Bergsträsser. Ist das Buch nun ein Porträt? Eine Reportage? Eine geschichtliche Aufarbeitung? Die Autorin sagt in ihrem Vorwort zu «C’est la vie»: «Für mich ist dieses Buch ein Versuch, dem Geheimnis, was wirklich wichtig ist im Leben, auf die Spur zu kommen. Es wäre schön, wenn es andere Menschen zum Nachdenken über diese existenzielle Frage ermutigen würde.» Zum Nachdenken über das eigene Dasein und jenes unserer Nächsten regt das informative und gleichzeitig lebendig geschriebene Buch zweifellos an.

2022, 212 Seiten
21 Abbildungen
gebunden
ISBN Druckausgabe: 978-3-03919-538-1
ISBN E-Book: 978-3-03919-978-5


Das Buch kann auf unserer Geschäftsstelle bezogen werden für Fr. 36.-, zuzüglich Versandkosten:
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner