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Medienschau September 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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05. Oktober 2022
Die Schweizer Politik erörtert, wer künftig für die Palliativversorgung verantwortlich sein soll. Und im Kanton Uri gehen die Diskussionen rund um Palliative Care weiter. Diese und andere Themen in unserer Medienschau vom September.
«Palliative Care – eine tickende Zeitbombe». So betitelt medinside.ch im September einen Fachbeitrag. Dieser zeigt auf, dass schweizweit viele politische Vorstösse in Sachen Palliative Care in der Pipeline sind, von konkreten Massnahmen aber nach wie vor jede Spur fehlt. Und das ist eine beängstigende Perspektive. Gemäss Bundesamt für Statistik wird die Zahl der jährlichen Todesfälle bis im Jahr 2045 um 50 Prozent zunehmen – von heute 60 000 auf über 90 000 Todesfälle im Jahr. Und: In rund 70 Prozent der Todesfälle geht eine mehr oder weniger lange Phase der Krankheit oder Gebrechlichkeit voraus. Aufgrund dieser Zahlen stellte der Bundesrat fest: «Mit den heutigen Strukturen im Gesundheitswesen wird es nicht möglich sein, die zunehmende Anzahl sterbender Menschen und ihre Angehörigen angemessen zu behandeln und zu betreuen.» Das war im September 2020. Und dann? In einer Motion wurde der Bundesrat im Juni 2021 beauftragt, die notwendigen Grundlagen zu erarbeiten, damit die Palliativversorgung gesichert wird. In seiner Stellungnahme schreibt der Bundesrat nun: «Sowohl in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege wie bei der Hilfe zu Hause liegt die Sicherstellung der Versorgung mit Betreuungsleistungen im Grundsatz in der Zuständigkeit der Kantone». Doch dort erwartet man wiederum Führung durch den Bund. Fazit: Viel Papier, viele politische Vorstösse, beängstigende Perspektiven, kaum konkrete Massnahmen.

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Der Schaffhauser Kantonsrat hat entschieden, die Pilotphase zur Umsetzung des Palliative-Care-Konzeptes bis Dezember 2023 zu verlängern. Die Evaluation ist abgeschlossen und zeigt, dass das Angebot sehr gut ankommt (siehe unseren Bericht auf www.pallnetz.ch). Der Verlängerungskredit von 875 000 Franken wurde mit 58:0 Stimmen genehmigt. Die Pilotphase zur Umsetzung des Palliative-Care-Konzepts läuft somit bis Dezember 2023 weiter. Zwar ist die Evaluation abgeschlossen, aber für die definitive Umsetzung braucht es ein Submissionsverfahren (Genehmigungsverfahren) und eine Volksabstimmung.

Bereits zuvor hatte die Gesundheitskommission den Antrag des Regierungsrates gutgeheissen. Wie sie in ihrem Bericht an den Kantonsrat schrieb, ist man mit dem Projekt erfreulich gut unterwegs. Der Mobile Palliative Care Dienst (MPCD) wurde positiv angenommen. Seine Verfügbarkeit an 24 Stunden während sieben Tagen pro Woche – das heisst Notfallbereitschaft auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts – wurde sehr geschätzt. Mit vielen, zum Teil kurzen Interventionen konnte der MPCD die Grundversorger entlasten und dadurch kritische Patientensituationen entschärfen sowie Sicherheit vermitteln. Insbesondere konnte die Schnittstelle zwischen Spital und der ambulanten Versorgung verbessert werden, wodurch Spitaleintritte vermieden und Spitalaustritte beschleunigt werden konnten.

Das gewählte Vorgehen des Regierungsrats wurde von Gesundheitskommission und Kantonsrat vollumfänglich unterstützt und begrüsst. Die Dienstleistungen dürften keinesfalls unterbrochen werden. Die Prozesse zur Durchführung des Submissionsverfahrens und zur Einleitung der notwendigen Volksabstimmung für die definitive Fortführung der Palliative-Care-Massnahmen werden allerdings noch einige Monate in Anspruch nehmen.
«Das standardisierte Instrument schafft Klarheit, Transparenz und Orientierung»

Die Diskussion um Palliative Care im Kanton Uri (siehe Medienschau vom Monat August) ging im September weiter. Der Kanton Uri stellte einen Plan vor, der künftig die palliative Behandlung und den Informationsfluss zwischen den Beteiligten vereinfachen soll, wie die «Urner Zeitung» berichtete. Dieser Palliative-Care-Behandlungs- und Therapieplan werde künftig in allen Institutionen, Organisationen und von Fachpersonen im Kanton verbindlich angewendet. «Das standardisierte Instrument schafft Klarheit, Transparenz und Orientierung», sagte Kantonsarzt Dr. med. Jürg Bollhalder. Denn palliative Situationen würden schnell anspruchsvoll, und Entscheidungen müssten manchmal unter Zeitdruck gefällt werden. Eine frühzeitige Auseinandersetzung ermögliche allen Beteiligten, mit Schwierigkeiten und Fragen am Ende des Lebens zielführend und im Sinne der Patientinnen und Patienten umzugehen.

Wenige Tage nach der Präsentation dieses Behandlungsplans wurde dem Gesundheitsdirektor Christian Arnold an einer öffentlichen Veranstaltung eine Petition überreicht. Die Online-Petition «Für Palliative-Care-Betten im neuen Kantonsspital Uri» verlangt, dass im Kantonsspital Uri Plätze für Palliativ-Patientinnen und -Patienten zur Verfügung gestellt werden, und wurde von mehr als 2900 Personen unterzeichnet. Christian Arnold hielt fest, dass die Petition im Gesamtregierungsrat behandelt werde. Zudem soll das Thema auch ins Projekt «Weiterentwicklung Langzeitpflege Uri» einfliessen, welches Kanton und Gemeinden gemeinsam gestartet hatten.

Ende September dann reichte Landrätin Nora Sommer eine Interpellation mit 11 Fragen zur aktuellen Lage der Palliative Care im Kanton Uri ein. Sie will beispielsweise wissen, ob es ein Monitoring der Patientinnen und Patienten im Kanton gibt, welche Palliative-Care-Angebote bereits bestehen und ob eine Anlaufstelle existiere, die über die entsprechenden Angebote informieren könne. Auch erkundigt sie sich nach der Finanzierung einer 24-Stunden-Spitex, einer Palliativstation im Kantonsspital Uri sowie dem Angebot an Sozialberatung und Seelsorge.
«Palliative Care: Kanton stellt Plan vor». Urner Zeitung. 5.9.2022
«Wir sollten die älteren Menschen in unser buntes Quartierleben integrieren»

Aus einem alten Haus im Wetziker Ortsteil Robenhausen soll eine Alters-WG entstehen. Die Seniorin, die dort wohnte, musste in ein Heim, obwohl sie lieber zu Hause geblieben wäre. Vor zwei Jahren hat eine Hausärztin aus der Gemeinde die Liegenschaft erworben. Ihre Idee: Hier soll eine Wohngemeinschaft entstehen, in der die Menschen – mit Hilfe von Palliative Care und Spitex – bis an ihr Lebensende wohnen können. Das Projekt soll eine Verbindung aus begleiteter Alterswohngruppe und Generationen-Treffpunkt werden. Ziel ist es, einen selbsttragenden gemeinnützigen Betrieb zu schaffen, der von Quartier und Freiwilligen gestützt wird. «Wir sollten die älteren Menschen in unser buntes Quartierleben integrieren», sagte die Hausbesitzerin gegenüber dem «Zürcher Oberländer». Im Januar 2022 ist das Projektteam gestartet. Die höchste Investition werden die baulichen Massnahmen sein. Den grössten Teil der Finanzierung übernimmt die Ärztin selbst, zwei Förderstiftungen wurden um Unterstützung angefragt. Zusätzlich wird es Spenden oder öffentlich verfügbare Gelder brauchen. Baustart soll im März 2023 sein, im April 2024 sollen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in die WG einziehen können.

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«Ist Humor bei dem ernsten Thema Palliative Care erlaubt?», fragte das Tagblatt. Ja, warum nicht? Die tollpatschige Frau Dr. Rochette war Mitte September an der Kick-off-Veranstaltung des Palliative Forums Rheintal. Mit kunterbunter Kleidung statt weissem Kittel führte die Traumdoktorin der Stiftung Theodora in die Veranstaltung für Fachpersonen in der Region ein. Anlass war das Palliative Forum, welches sein Netz um mehrere Gemeinden ausgeweitet hat. Es ist aus dem 2015 gegründeten Palliative Forum RhyCare gewachsen. «Ohne Vernetzung keine Versorgung», sagte Katharina Linsi, Geschäftsleiterin von Palliative Ostschweiz. Sie zeigte auf, wie sich alle Beteiligten in das Gesamtkonstrukt von Bund (palliative.ch), Kantonen (palliative Ostschweiz) und Gemeinden (Foren) einfügen. «Wir haben den Leistungsauftrag, die Grundversorgung mit einer dezentralen Struktur sicherzustellen.» Den erfüllt Palliative Ostschweiz, indem die Organisation diese Foren begleitet und unterstützt. Das Forum Rheintal arbeitet in Partnerschaft mit Hausarztpraxen, Heimen, Spitälern, Sozialdiensten, Spitex und weiteren begleitenden Organisationen wie Entlastungsdiensten.
«Hier soll ein Ort entstehen, wo Kinder in Ruhe sterben können»

«Wenn es so weit ist, wünsche ich mir, dass sie einfach einschläft und nicht mehr erwacht.» Dies sagt Oxana Rindisbacher, Mutter der kleinen Xenia in einer Reportage von «Der Bund». Und Vater Urs pflichtet ihr bei: «Ich mir auch.» Xenia ist siebeneinhalb Jahre alt und unheilbar krank. Sie kann nicht laufen, nicht sprechen, nicht selbstständig essen, nicht trinken. Wie viel sie versteht, wissen die Eltern nicht genau. Ihre «kleine Bohne» zeigt zwar Emotionen und reagiert auf Menschen. Mehrmals am Tag hat Xenia aber auch epileptische Anfälle, die ihr Hirn immer wieder «auf null zurückstellen». Sie kann deshalb nichts lernen. Der Grund ist ein extrem seltener Gendefekt. Weder Vater noch Mutter waren vorbelastet.

Xenia ist eines von rund 5000 Kindern in der Schweiz, die eine lebenslimitierende Krankheit haben. Jedes Jahr sterben 400 bis 500 von ihnen. Doch in der Schweiz steckt die pädiatrische Palliative-Care-Versorgung erst in einem Anfangsstadium. In einigen wenigen Spitälern wurden zwar spezialisierte Teams aufgebaut. Doch ausserhalb der Kliniken fehlen stationäre Angebote weitgehend: Während es in Deutschland 20 Kinderhospize gibt, existiert hierzulande noch kein einziges. Das soll sich zwar ändern, sind doch in den Kantonen Bern, Zürich und Basel ähnliche Projekte in Planung – aber eben erst in Planung. Eines ist das Allani Kinderhospiz bei Bern, welches der Reporter gemeinsam mit Xenia und ihren Eltern besucht. Hier soll ein Ort entstehen, wo Kinder in Ruhe sterben können. Als die Stiftung das Bauernhaus in Riedbach im Juli 2021 übernommen hat, wollte man dieses so rasch wie möglich für betroffene Familien öffnen. Denn im Haus befindet sich eine modern ausgebaute Wohnung, die bis zum Umbau genutzt werden kann. An einzelnen Wochenenden werden seither Eltern und deren Kinder betreut – auch Xenia und ihre Eltern. Das ermöglicht Oxana und Urs kleine Momente des Durchschnaufens. Bis das Hospiz seinen wirklichen Betrieb aufnehmen kann, wird es noch dauern. Die Umbaukosten von voraussichtlich 5,9 Mio. Franken sind erst zur Hälfte gedeckt.

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Gemeinden sollen bei der Spitex in die Bresche springen. In der Region Solothurn-Lebern und den angrenzenden Gemeinden entsteht ein 24-Stunden-Angebot an Spitex-Betreuung. Dieses funktioniert nach den Grundsätzen: ambulant vor stationär, möglichst langer Verbleib zuhause, unterstützende Palliative Care, Entlastung der Spitäler und kostendeckend. Aber ein kostendeckender Betrieb sei aktuell nicht möglich, erklärten Spitex-Vertreterinnen an der Konferenz der Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten Solothurn-Lebern. Die Spitex-Organisationen Zuchwil und Region Solothurn bieten bereits seit 2016 gemeinsam zwischen 23 und 7 Uhr einen Nachtdienst an. Die Erfahrungen zeigten, dass dieser nicht kostendeckend realisiert werden kann.

Der Mechanismus ist einfach. Die Spitex ermöglicht mit einem Nachtdienst ein längeres Leben zu Hause, was frühzeitige Heimeintritte verhindert und frühzeitige Spitalentlassungen ermöglicht. Gesamtgesellschaftlich könnten Kosten eingespart werden. Der Haken an der Sache ist: Die Gemeinden müssten bereit sein, die erbrachten Leistungen zu entgelten. Nun warten die Spitex-Verantwortlichen die Reaktionen der Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten ab. Sind diese positiv, soll ein Vorschlag erarbeitet werden.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner