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Palliativstation wird ausgebaut - «Der Bedarf an Betten steigt»

Palliativstation wird ausgebaut - «Der Bedarf an Betten steigt»

Mirko Thiene, Leitender Arzt, und Manuela Hitz, Pflege-Leiterin der Palliativabteilung am Spital Bülach. (zvg)

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09. Mai 2023 / Region
Die Palliativabteilung am Spital Bülach wird vergrössert. Bereits in einem Jahr soll ein Modulbau mit zusätzlichen Betten bezugsbereit sein. Ein Interview mit dem Leitenden Arzt Mirko Thiene und Manuela Hitz, Pflege-Leiterin der Palliativabteilung.
Herr Thiene, die Verantwortlichen des Spital Bülach planen einen Modulbau für Palliative Care, obwohl in den nächsten sieben Jahren ein über 100-Millionen-Umbau des Spitals vorgenommen wird. Weshalb?

Mirko Thiene: Wir sehen, dass wir auf der Palliativabteilung mit unserer räumlichen Kapazität am Limit sind. Bis uns eine neue, grössere Station zur Verfügung steht, würden noch drei bis vier Jahre vergehen. Das ist zu lange. Wir brauchen jetzt Platz, da der Bedarf im Zürcher Unterland steigt. Der Modulbau kann gemäss heutiger Planung bereits in einem Jahr bezogen werden.

Und Sie werden mit diesem Schritt die Bettenzahl für Palliative Care erhöhen?

Thiene: Ja. Wir werden die Kapazität auf 12 Betten erhöhen. Gegenwärtig haben wir 6 Doppelzimmer, welche wir aber meist nur für eine Person nutzen. Doppelzimmer entsprechen nicht unserer Vorstellung einer modernen Palliativmedizin. Die Mehrzahl unserer Patienten und Patientinnen haben eine hohe Symptomlast und eine schwierige Behandlungssituation, welche ein Einzelzimmer erfordern. Geplant sind nun 8 Einzelzimmer und 2 Doppelzimmer.

Braucht es diese Erhöhung der Bettenzahl?

Thiene: Wir sehen, dass wir ein deutliches jährliches Wachstum haben. Viele Patientinnen und Patienten müssen in schwierigsten gesundheitlichen Situationen warten, bis auf unserer Station ein Bett frei wird. Wir setzen alles daran, diese Wartefristen zu verkürzen.

Ist es im neuen Modulbau möglich, die Bettenanzahl später noch weiter zu vergrössern?

Thiene: Es gibt zwei Wege. Wenn man sich entscheidet, dass der neue Bau nur ein Provisorium sein soll und wir nach der Spitalsanierung wieder umziehen, dann ist die Bettenzahl in den nächsten Jahren auf 12 begrenzt. Wenn die Palliativabteilung aber definitiv im Modulbau bleiben sollte, was ich mir gut vorstellen könnte, dann kann man die Module im Baukastenprinzip erweitern. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entschieden.

Frau Hitz, was heisst das für Sie als Leiterin der Pflege, wenn die Station nicht mehr direkt im Spitalgebäude selbst ist?

Manuela Hitz: Wir werden die gleiche Infrastruktur zur Verfügung haben wie bisher und auch bezüglich Platz sehe ich keine Nachteile. Wir sind dann in Zukunft ein wirklich eigenständiger Bereich. Jetzt teilen wir uns das Stockwerk mit der interdisziplinären Privatstation.

Aber es gibt längere Wege, wenn man mit dem Patienten auf eine andere Station muss – etwa zu speziellen Untersuchungen wie CT oder Physiotherapie.

Hitz: Wir haben einen direkten Anschluss an das Spital. Der Pavillon wird mit einer Art Glaskorridor mit dem Hauptgebäude verbunden. Wir bleiben damit Teil des Akutspitals. Der Grossteil der Therapien findet direkt bei uns auf der Abteilung statt.

Thiene: Wir sind kein Hospiz sondern eine Palliativstation im Akutspital. Wir brauchen also die Diagnostik, die Therapie, die Spezialisten. Die Wege sind vielleicht minimal länger. Für uns ist es aber gut, etwas Abstand zur Akutstation zu haben. Mit der Ausgliederung in einen eigenständigen Bereich erwarten wir deutlich mehr Ruhe und eine familiärere Atmosphäre. Das ist ein Vorteil sowohl für das Team wie auch für unsere Patienten und Patientinnen und deren Angehörige.

Sie sind erklärtermassen kein Hospiz und die Zeit auf der Palliativstation ist beschränkt.

Thiene: Als spezialisierte Spitalabteilung haben wir ein Zeitfenster von zwei bis drei Wochen für die Behandlung. Bei über 95 Prozent unserer Patienten reicht diese Zeit aus. Wir klären die Vorgehensweisen, die Symptomlast und planen das Netzwerk für die Versorgung des Patienten, der wieder austreten kann. Zirka 40 bis 50 Prozent unserer schwerkranken Patientinnen und Patienten sterben bei uns. In der direkten Sterbephase wird kein Patient mehr verlegt.

Hitz: Es ist wichtig, dass wir der Patientin, dem Patienten und den Angehörigen schon beim Eintritt sagen, dass der Aufenthalt auf unserer Palliativabteilung zeitlich limitiert ist und wir gemeinsam die weitere Versorgung anschauen.

Der Bedarf an Palliativbetten im Kanton Zürich steigt. Woran erkennen Sie dies?

Thiene: Wir haben in den letzten Jahren stetig mehr Patientinnen und Patienten betreut und behandelt. Im Jahr 2022 waren es knapp über 200. Wir sind uns sicher, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Die Bevölkerung im Zürcher Unterland wird bis in das Jahr 2032 um 13 Prozent wachsen. Das sind 23'000 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als heute. Hinzu kommt, dass der Anteil der über 65-Jährigen im Zürcher Unterland am stärksten im gesamten Kanton Zürich wächst. Ausserdem wird sich die demografische Alterung weiter verstärken und durch die moderne Medizin wird die Alterung noch zunehmen.

Dann wird der geplante Ausbau von rund 8 auf 12 Betten auf längere Sicht nicht ausreichen.

Thiene: Es ist schwierig, hier eine genaue Modellrechnung zu machen. Gemäss aktuellen Berechnungen sollten pro 1 Million Einwohner zirka 100 Betten für Palliative Care zur Verfügung stehen. Für das Zürcher Unterland wären das 18 bis 20 Betten. Gegenwärtig gibt es in unseren Bezirken kein Hospiz, das unser Angebot ergänzen könnte. Wir hätten aber am Spital Bülach mit einem Modulbau die Möglichkeit, innert kurzer Zeit weitere Betten zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist aber, dass das gesamte Palliative-Care-Netz ausgebaut wird, sei es in der Langzeitpflege, bei der Spitex oder den ambulanten spezialisierten Palliativ-Diensten.

Ein Problem, mit dem alle medizinischen und pflegerischen Einrichtungen zu kämpfen haben, ist der Mangel an Pflegefachpersonal. Das Spital Bülach hat am 1. April 2023 ein Pilotprojekt mit flexiblen Arbeitszeitmodellen gestartet.

Hitz: Ja, wir haben derzeit ein dreistufiges Modell. Das ist eingeteilt in ein fixes Modell ohne Nachtdienst und mit festen Arbeitszeiten. Beim Flexmodell kann man wählen zwischen Früh- oder Spätdienst – hinzukommen Nachtschichten und beim Superflexmodell sind alle Dienste an allen Tagen möglich. Je nach Stufe verdienen die Pflegenden eine Zulage zum Grundlohn. Das heisst, dass Flexibilität und Spontanität mit Zulagen belohnt werden.

Wird das von den Mitarbeitenden geschätzt? Haben Sie bereits erste Rückmeldungen?

Hitz: Bisher sind die Rückmeldungen positiv. Wer Planungssicherheit möchte, bekommt diese. Der Grundlohn bleibt bei allen gleich wie bisher. Wer dank Flexibilität mehr verdienen möchte, hat die Möglichkeit dazu. Das Modell ist nicht nur flexibel an sich, sondern die Mitarbeitenden können das Modell auch zwei Mal pro Jahr wechseln. Und vor allem kann der Mitarbeitende auf diese Weise seine Arbeitszeit auf das Privatleben abstimmen. Ich denke, das neue Arbeitsmodell ist zum Vorteil aller und wird vielleicht auch anderswo Schule machen.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner