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Austausch zu Palliative Care in der Region

32 Fachpersonen aus der Regionalgruppe Palliative Care Bezirk Meilen im Austausch. (Bilder: Christina Günther)

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26. August 2021 / Region
Die Regionalgruppe Palliative Care Bezirk Meilen traf sich kurz vor den Sommerferien zu einem Austausch. Die Berichte aus den Arbeitsgruppen zeigten, wie vieles in den letzten Monaten von der Pandemie geprägt war. Viele Entwicklungen werden als positiv empfunden.
32 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte Dominik Schneider, Chefarzt Medizin am Spital Männedorf, am dritten Treffen der Regionalgruppe Palliative Care Bezirk Meilen begrüssen. Schneider blickte zurück, was sich in den vergangenen Monaten seit dem letzten Treffen verändert hat. Inzwischen ist er Chefarzt der medizinischen Klinik im Spital Männedorf und konnte mit Anette Ciurea eine versierte Nachfolgerin als Leitende Ärztin für die Palliative-Care-Station gewinnen. Seit einiger Zeit arbeitet das Spital Männedorf mit psychiatrischen Fachpersonen zusammen: zum einen Ruedi Schweizer, dem ärztlichen Leiter Zentrum für psychische Gesundheit am Spital Zollikerberg/Klinik Hohenegg sowie Irène Aeppli, der dort tätigen leitenden Psychologin. Sie betreuen konsiliarisch Patientinnen und Patienten der Palliative-Care-Station, können aber auch von anderen Abteilungen angefordert werden.

Die Zusammenarbeit mit Palliaviva, die einen Stützpunkt im Haus betreibt, ist gewachsen und wird als sehr hilfreich empfunden. Ein Fernziel sei es, wie Schneider erklärte, ein mobiles ärztliches Palliative-Care Team für die Region in Zusammenarbeit mit Palliaviva zu etablieren.

Pandemie: Von der Chaos-Phase zur Konzept-Phase
Annette Ciurea leitete anschliessend zum ersten Teil der Veranstaltung über und schilderte kurz die Herausforderungen im Rahmen der Pandemie. Grundsätzlich stand die Frage im Zentrum, wie diese neue Krankheit überhaupt behandelt werden kann und welches Material wie eingesetzt werden soll. Das vorübergehende Umfunktionieren der Palliative Care Station zur Covid-Station von März bis April 2020 stellte das ganze Team vor eine Herausforderung. Sie stand im Zusammenhang mit der ersten Welle und einer ersten sogenannten «Chaos-Phase», auf die eine «Konzept-Phase» folgte, in der man sich sicherer im Umgang mit an Covid erkrankten Menschen fühlte, da ein Schutz- und Behandlungskonzept im Spital, aber auch auf nationaler Ebene erarbeitet wurde. Man konnte besser auf mögliche Emotionen in den Teams reagieren und die täglichen neuen Informationen bewältigen. Nicht ausser Acht lassen dürfe man trotz der bewältigten Situation, dass man an einer katastrophalen Entwicklung vorbeigeschrammt sei, so Ciurea. Dies war nur dank dem Einsatz aller beteiligten internen und externen Mitarbeitenden möglich.

Doch wie wurde diese Zeit von den Teilnehmenden in ihren jeweiligen Institutionen erlebt? Mitarbeitende der Spitex berichten von schwierigen Situationen zu Themen wie Aufbahrung nach einem Todesfall, Schuldfragen von Angehörigen wegen möglichen Infektionsketten in der Wohnung, fehlenden Kontakten der Klientinnen und Klienten, keine Berührungen mehr durch Angehörige und als Überthema dieser Aufzählungen die soziale Isolation der Klientinnen und Klienten. Diese Aufzählung entbehrt allerdings der Vollständigkeit. Jede Situation war sehr individuell und verlangte eine entsprechende Flexibilität der Spitex-Dienste.

Gibt es sinnlose Hausarzt-Besuche?
In Rahmen der Psychotherapie war die Situation mit Beginn der zweiten Welle der «Supergau». In jeder Situation war Covid ein Thema. Auf der einen Seite dachten manche Patientinnen und Patienten: «Jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an, ich sterbe ja sowieso», auf der anderen Seite fühlten sie sich verletzlicher als vorher. Hausärzte wurden angehalten keine sinnlosen Besuche mehr zu machen. Doch gibt es im Rahmen der hausärztlichen Betreuung überhaupt sinnlose Besuche?
Pflegeinrichtungen und -heime erlebten Verlegungen mit mangelnden Informationen. Es war oft nicht klar, ob Patientinnen und Patienten zuerst in Quarantäne müssen oder nicht. Palliative Aspekte standen nicht mehr im Vordergrund, es ging nur noch ums Überleben, auch bei 95-Jährigen. Insgesamt haben Pflegeeinrichtungen mit einer vorausschauenden Planung viel aufgefangen. Bewohnerinnen und Bewohner wurden dort zu ihren Wünschen im Rahmen einer Covid-Erkrankung befragt, was vorher weniger durchgeführt wurde. Auch die Ängste des Pflegepersonals standen oft im Vordergrund.
Heimärzte waren ebenso gefordert. Das Hygienekonzept musste ausgebaut, die gesamte Logistik angeschaut und die Testungen ermöglicht werden. Es kam sogar zu Klagen gegen ein Heim wegen einem mangelnden Hygienekonzept.

Bei der Seelsorge waren die entsprechenden Fachpersonen im Spital Männedorf Ersatz für den fehlenden Besuch. Es sind aus diesen Herausforderungen neue Ideen und Kommunikationswege entstanden.
Annette Ciurea fasste die Herausforderungen nochmals zusammen. Sie nehme wahr, dass vor allem Ungewissheit in Bezug auf die Erkrankung an sich, aber auch auf die Testungen sowie Impfungen herrschte. Ebenfalls vorhanden waren die Materialknappheit, Ängste, soziale Isolation durch das Besuchsverbot und mangelnde Kontakte, die E-Mail-Flut mit täglichen neuen Informationen und die fehlende Sachlichkeit im Umgang der Institutionen untereinander.

Das schnelle Reagieren, die Aktivierung vieler Ressourcen und verlässliche Mitarbeitende wurden als positive Elemente zur Bewältigung erlebt. Die Herausforderung Informationen, Wissen und Material zu teilen, war für viele Involvierte hilfreich und half Adaptionsfähigkeiten zu entwickeln. Es wurden viel öfter Gespräche über die Endlichkeit des Lebens geführt, das Berufsbild hat sich verändert, andere Settings wurden ausprobiert, und es wurde klar, wie wertvoll eine gute Vernetzung ist. «Für die Palliative-Care und -Medizin bedeuten diese Erfahrungen mehr denn je, wie wichtig die vorausschauende Planung und der Umgang mit der Endlichkeit ist», fasste Annette Ciurea zusammen.

Arbeitsgruppen berichteten
Im zweiten Teil der Veranstaltung erläuterten die Arbeitsgruppen, die sich beim zweiten Regionalgruppen-Treffen im April 2019 formiert hatten, ihre Erkenntnisse aus ihrer Zusammenarbeit.

Die AG geriatrische Palliative Care machte diverse Herausforderungen im Rahmen von strukturellen Gegebenheiten in Alterszentren, in der Politik, in den Palliativ-Konzepten, der interdisziplinären Kommunikation und der Finanzierung auf Gemeinde-Ebene aus. Viele Zentren haben keine oder nur wenige Ressourcen, um ihre Bewohner im Rahmen von Symptomkontrolle oder vorausschauender Planung zu unterstützen. Die nationale Strategie besteht zwar schon seit langem, die Finanzierung hinkt dieser aber hintendrein. Auf nationaler sowie kantonaler Ebene wurden nun Postulate eingereicht. Trotzdem stellt sich die Frage, wie eine ausreichende Finanzierung überall erreicht werden kann.
Palliative-Konzepte weisen eine sehr hohe Heterogenität auf. In manchen Institutionen haben diese Konzepte sehr gute, angepasste Inhalte, in anderen kaum. Die interdisziplinäre Kommunikation ist oft schwierig. Patientinnen und Patienten kommen von bestumsorgten Palliative-Care-Settings ins Pflegeheim, wo es kaum Fachpersonen gibt, die die Weiterführung von notwendigen Interventionen sicherstellen können. Wie kann es ausserdem sein, dass einzelne Gemeinden den Zuzug von spezialisierten Palliative-Care-Teams in Alters- und Pflegezentren finanzieren und andere nicht?
Die AG Notfallplan machte Herausforderungen in der Übereinstimmung von Begrifflichkeiten und möglichen Notfallplänen für pflegende Angehörige aus. Auch hier ist die Heterogenität gross, und es besteht Klärungsbedarf.

Die AG psychosoziale Betreuung befasste sich mit dem Unterschied der Begleitung im Spital und spitalextern, also zu Hause oder in Institutionen. Vieles kann im Spital organisiert und umgesetzt werden, was zu Hause oder in einer Institution oft nicht in diesem Ausmass möglich ist. Es fehlen aber auch weiterführende Informationen. Mirjam Leuzinger von der Seelsorge Spital Männedorf macht auf den Flyer «Seelsorge in Palliative Care» aufmerksam. Dieser vermittelt Kontaktadressen zu Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Die Erfahrungen damit sind gut, es können auch kurzfristig Fachpersonen aufgeboten werden. Eine geronto-psychiatrische Betreuung wäre für Hausärzte ergänzend sinnvoll, oder die Möglichkeit im Rahmen eines Netzwerkes darauf zurückzugreifen zu können.

Abschliessend wurde festgehalten, dass alle Arbeitsgruppen viele Themen zur Weiterbearbeitung haben. Schwerpunkte liegen dabei beim Notfallplan und der psychosozialen Betreuung, bzw. deren Vernetzung. Terminvorschläge für die Weiterarbeit in den AG’s folgen. Interessierte können sich an Annette Ciurea (Notfallplan), Joachim Wurster (Geriatrische Palliative Care) oder Thomas Albiez (psychosoziale Begleitung) wenden.
Im Anschluss an die Veranstaltung tauschten sich viele Teilnehmende bilateral aus. Ein nächstes Treffen findet im November 2021 statt.
palliative zh+sh, Christina Günther