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Wie Tagesstätten für Menschen im Alter sich bewähren können

Wie Tagesstätten für Menschen im Alter sich bewähren können

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Damit Tagesstätten ausgelastet werden können, müssen die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen. Gefordert sind Kantone und Krankenkassen. (Bild: Astrid Götze-Happe / pixelio.de)

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02. Februar 2015 / Politik
Wie sind Tagesstätten für pflegebedürftige Menschen im Alter zu gestalten, damit sie erfolgreich Bestand haben? Und welche Rahmenbedingungen braucht es dazu? Diesen Fragen gingen Fachpersonen im Rahmen eines Benchlearning-Projektes nach. Die Ergebnisse sind nun in einem Bericht publiziert worden. Gefordert seien jetzt die Kantone, heisst es darin.

Pflegende Angehörige zu entlasten ist eine der Massnahmen, die der Bundesrat in seiner «Strategie für eine Schweizerische Alterspolitik» fordert. Ein Mittel dazu sind beispielsweise Tagesstätten. Einerseits hat die Alzheimervereinigung errechnet, dass der Bedarf an solchen Tagesstätten in der Schweiz bei weitem nicht gedeckt ist, andererseits sind Klagen nicht ausgelasteter Tagesstätten zu hören. Es stellt sich darum die Frage: Was sind die Rahmenbedingungen und Praktiken funktionierender Tagesstätten? Im vergangenen Jahr gingen Fachpersonen im Rahmen eines Benchlearning-Projekts dieser Frage nach. Der nun publizierte Bericht «Erfolgreiche Praktiken von Tagesstätten» fasst die Erkenntnisse zusammen und fordert die Kantone auf, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Zusammenfassung der Erkenntnisse

Die Erkenntnisse lassen sich zu acht Punkten mit erfolgreichen Praktiken verdichten – der erste davon auf Ebene der Kantone:

1) Finanzielle Rahmenbedingungen müssen stimmen
2) Tagesplätze auf Einzugsgebiet abstimmen
3) Erfolgsvoraussetzung Transport
4) Öffnungszeiten und Nachtaufenthalte
5) Attraktive Angebote für Gäste und Angehörige
6) Gäste finden: niederschwelliges Angebot und Beziehung zu «Zuweisern»
7) Ort und Räumlichkeiten: Vieles ist möglich
8) Mitarbeitende mit «Herzblut» und praktischen Fähigkeiten

Finanzielle Unterstützung von Kantonen und Kassen

Eine Erhebung des Kantons Basel-Stadt von 2009 ergab für Tagesstätten Vollkosten von 121 bis 172 Franken pro Aufenthaltstag. Da die Nachfrage nach Tagesplätzen preissensibel sei, sei ein Teil der Tagesstätten mit hohen Tarifen trotz vielen potenziellen Gästen in ihrem Einzugsgebiet schlecht ausgelastet, schreibt die Verfasserin des Berichtes. «Für ein wirksames Angebot sind deshalb Beiträge zu Tarifvergüngstigungen ein Muss.» Prinzipiell seien die Krankenkassen verpflichtet, einen Beitrag an ärztlich angeordnete Tagesstrukturen zu zahlen. Dafür seien gewisse Voraussetzungen zu erfüllen. Als positives Beispiel aus der Erhebung nennt der Bericht die Finanzierungs-Lösung des Kantons Basel-Stadt. Die Tarife seien insgesamt günstig, der Kanton zahlt die Hälfte der Kosten und die Krankenkassen zahlen eine Pauschale.

Niederschwelliges Angebot mit Fahrdienst

Im Vergleich mit der Bewohnerschaft von Pflegeheimen sind die Gäste von Tagesstätten meist jünger, weniger pflegebedürftig und häufiger handelt es sich um Männer. Fast alle Gäste kommen regelmässig in eine Tagesstätte - im Durchschnitt 1.9 Mal pro Woche. Was die Öffungszeiten angeht, sind Betreibende von Tagesstätten gemäss der Erhebung mit divergierenden Ansprüchen konfrontiert: Angehörige wünschen sich möglichst lange Öffnungszeiten, wärhende die Gäste meist frühzeigit wieder nach Hause möchten. Beim Finden neuer Tagesgäste gilt es für die Tagesstätten, Vorbehalte bei potenziellen Gästen und Schuldgefühle bei Angehörigen zu überwinden. Hier zeigten sich offenbar erfolgreiche Praktiken: Das Angebot sollte niederschwellig sein und die Tagesstätte sollte gute Beziehungen zu «Zuweisern» wie Hausärzten, Spitex und Beratungsstellen unterhalten.

Eine zentrale Lage in der Ortschaft sei für die Tagesstätten nicht matchentscheidend, heisst es im Bericht. Denn das Angebot eines Fahrdienstes sei ohnehin eine Notwendigkeit für eine gut funktionierende Tagesstätte. Was die Räumlichkeiten angeht, so sei sehr vieles möglich. Je nachdem sei eine Tagesstätte entsprechend besser oder weniger gut geeignet für weglaufgefährdete Demenzkranke. Die untere Grenzen für den Flächenbedarf liege bei etwa 12 bis 14 Quadratmetern pro Platz.

Für und wider die Anbindung an eine Pflegeheim

Die Angliederung einer Tagesstätte an ein Pflegeheim hat gemäss der Untersuchung verschiedene Vor- und Nachteile. «Solitäre Tagesstätten haben den Vorteil, dass sie keinen "Heimgeruch" aussenden und die Mitarbeitenden einen grossen Handlungsspielraum haben», heisst es im Bericht. Tagesstätten in Pflegeheimen könnten dafür von den anderen Abteilungen profitieren, ihre Räumlichkeiten nutzen und dank dem Eintrag auf der Pflegeliste ohne weitere Bemühungen mit den Krankenkassen abrechnen.

Die Mitarbeitenden von gut funktionierenden Tagesstätten sollten «engagierte Generalist_innen» sein. Die meiste Zeit werde von ihnen für Betreuungstätigkeiten aufgewendet, zu welchen oft auch das Kochen gehöre. Die verschiedenen Krankheitsbilder- und verläufe müssten die Mitarbeitenden zwar sehr gut kennen, die Pflegetätigkeiten an sich beschränkten sich aber auf ein Minimum.

Niedrigere Tarife nötig

In seinem Schlusswort fordert der Bericht die Kantone auf, für geeignete Rahmenbedingungen für Tagesstätten zu sorgen. Dank dem beherzten Engagement von Tagesstätten-Mitarbeitenden könnten Angehörige einige Stunden Zeit pro Woche gewinnen, um sich zu stärken und nicht selber krank zu werden - oder um ihrem Beruf nachzugehen. «Damit die Angehörigen und die potenziellen Gäste das Angebot auch nutzen, müssen vielerorts die Tarife massiv niedriger werden.»

Befragt wurden 19 Organisationen mit Tagesplätzen zu ihren Gegebenheiten und Praktiken. Anschliessend wurde eine Palette unterschiedlicher Ansätze in Fallstudien beschrieben. Davon wählten die teilnehmenden Tagesstätten-Gäste drei aus, die besucht wurden. Die Erkenntnisse aus den Befragungen und Besuchen wurden im Bericht «Erfolgreiche Praktiken von Tagesstätten» durch Ruth Köppel von der Beratungsfirma OrgaVisit zusammengefasst. Das Projekt wurde von der Age Stiftung gefördert und vom nationalen Dachverband CURAVIVA Schweiz unterstützt.
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