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Neues Projekt im Zürcher Oberland stärkt die Würde

Neues Projekt im Zürcher Oberland stärkt die Würde

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Die Interviewten blicken auf Höhepunkte und besonders schöne Erinnerungen zurück. (Bild: zVg)

Zur Person

Tony Styger leitet die Dargebotene Hand (Tel 143). Der katholische Theologe war jahrelang Gemeindeleiter in Pfäffikon, Spital- und Gefängnisseelsorger und ist psychologisch ausgebildet. Er ist in einem Mini-Pensum bei der Andreas Weber Stiftung angestellt, um das Projekt Lebensspiegel aufzubauen.

Informationsabende

Montag, 5. März 2018, um 19 Uhr im katholischen Pfarreizentrum Hinwil,
und am Mittwoch, 14. März 2018, ebenfalls um 19 Uhr im katholischen Pfarreizentrum Uster.

Eingeladen sind Pflegefachpersonen und Verantwortliche der Alters- und Pflegezentren, der Spitex und ähnlicher Organisationen, Ärzt_innen, Seelsorger_innen, Angehörige und Interessierte aus dem Zürcher Oberland.

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02. März 2018 / Region
Das Leben Revue passieren lassen, etwas gestalten können, ein Vermächtnis hinterlassen. Ein neues Projekt im Zürcher Oberland bietet alten und kranken Menschen die sogenannte Dignity Therapy an. Es nennt sich Lebensspiegel.
«Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrem Leben?» Das ist eine der Fragen, die Tony Styger und sein Team künftig älteren und kranken Menschen stellen werden. Eine andere ist: «Welchen Rat würden Sie Ihren Kindern gern geben, welche Worte sollen sie begleiten?» Das Projekt Lebensspiegel startet dieser Tage und hat zum Ziel, das Lebenswerk eines Menschen zu würdigen, der sich durch Alter oder Krankheit in einer schwierigen Phase befindet.

Andreas Weber, der Palliative-Care-Pionier aus dem Zürcher Oberland, wollte bereits seit Längerem seinen Patientinnen und Patienten die sogenannte Dignity Therapy oder auf Deutsch die «würdezentrierte Therapie» anbieten können. Nun realisiert eine unter seinem Namen gegründete Stiftung dieses Projekt.

Den Menschen würdigen und etwas von ihm überliefern

Die Dignity Therapy wurde vom kanadischen Palliativmediziner und Psychiater Harvey Max Chochinov erfunden. Er und sein Team erforschten den Würdebegriff. Dieser ist für Menschen, die sich am Ende ihres Lebens befinden, zentral. Eigens dafür ausgebildete Therapeuten führen mit Palliativpatientinnen und -patienten ein etwa stündiges, strukturiertes Interview durch. Es umfasst immer ungefähr die zehn gleichen Fragen. Diese zielen einerseits darauf ab, das Leben dieses Menschen noch einmal zu würdigen, andererseits soll auch eine Art Vermächtnis geschaffen werden.

Der Interviewer verschriftlicht das Gespräch und verdichtet es zu einem Text, den er dem Patienten in einer zweiten Sitzung vorliest. Wenn letzte Korrekturen eingeflossen sind, wird dieses sogenannte Generativitätsdokument offiziell dem Interviewten und den von ihm gewählten Angehörigen überreicht.

Im 2016 erschienen Buch «Reden über Sterben» schrieb der Seelsorger und Professor für Spiriual Care Simon Peng-Keller einen eindrücklichen Beitrag über die Dignity Therapy unter dem Titel «Vom Sinn letzter Worte». Letztes Jahr ist Chochinovs Fachbuch als «Würdezentrierte Therapie» auf Deutsch erschienen. Der Lebensspiegel-Gruppe dient es als Grundlagenwerk.

«Wir wollten weder einen englischen Begriff verwenden, noch von Therapie sprechen», sagt Projektleiter Tony Styger. Deshalb hätten sie den Namen «Lebensspiegel» gewählt. Der katholische Theologe leitete lange die katholische Kirchgemeinde Pfäffikon und ist noch bis Ende Jahr Chef der Dargebotenen Hand; danach wird er in dieser Funktion pensioniert. Da Styger sich bereits in Spiritual Care weitergebildet und Erfahrungen als Spitalseelsorger gesammelt hatte, wollte er in diesem Bereich weiter Fuss fassen, um auch nach seiner Pensionierung eine herausfordernde Aufgabe ausüben zu können.
«Patient zu sein ist nur eine Rolle.
Es geht uns aber ums Individuum
und seine ganz persönliche Geschichte.»
Tony Styger, Projektleiter Lebensspiegel

Seit Herbst ist das Oberländer Projekt nun richtig ins Rollen gekommen. Im Januar wurden neun Personen ausgebildet, die bereits erste Gespräche durchgeführt haben. Die Gruppe besteht aus neun ehrenamtlichen Fachpersonen aus der Seelsorge, Psychologie oder Pflege. Sie bringen Erfahrung in Gesprächsführung und Krisenberatung mit und wurden in einem eigenen Kurs auf die neue Aufgabe vorbereitet.

Das kostenlose Angebot richtet sich an kranke und alte Menschen im Zürcher Oberland. Es solle explizit nicht nur Palliativpatientinnen und -patienten zu Gute kommen, sagt Styger, der den Begriff «Patient» ohnehin lieber vermeiden möchte. «Patient zu sein ist nur eine Rolle. Es geht uns aber ums Individuum und seine ganz persönliche Geschichte.» Es sollen Menschen, die zu Hause, im Alters- oder Pflegezentrum lebten, davon profitieren könnten. Über die Institutionen und die Spitexdienste versucht Styger unter anderem das Projekt bekannter zu machen. Ausserdem finden im März zwei öffentliche Informationsabende statt (siehe Button oben).

Styger hat selbst schon mehrere «Lebensspiegel» durchgeführt und berichtet von sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Ein alter, eher wortkarger Mann, der im Gespräch zurückhaltend gewirkt habe, nahm am Schluss das Dokument mit leuchtenden Augen und den Worten «Das ist jetzt ein Teil meines Lebens» entgegen. Styger nahm einer weiteren Gesprächspartnerin eine Art Lebensbeichte ab, die er aber schriftlich nicht festhalten durfte. Sie habe den falschen Mann geheiratet, habe eigentlich einen anderen geliebt, sagte die schwer Kranke. Sie starb ein paar Tage nach der Übergabe des Dokuments.
«Beim Vorlesen zum Beispiel
fliessen meist die Tränen.»
Tony Styger, Seelsorger

Mehrere unabhängige Studien haben die Wirksamkeit von Chochinovs Methode nachgewiesen. Sie stärke das Gefühl für Sinnhaftigkeit und steigere das Selbstwertgefühl der Menschen. Ein positiver Effekt hat sich auch in Stygers bisher durchgeführten «Lebensspiegeln» bestätigt. Es gehe einfach gesagt darum, dass Betroffene «Würde erfahren», sagt er. Das erreiche man, indem sie sich jemand Aussenstehendem anvertrauen können, der weder Angehöriger ist, noch zum Behandlungsteam gehört. «Beim Erzählen tauchen Erinnerungen auf, die stärken.» Neben dem Text, in den das Ganze zum Schluss gegossen wird, sei der gesamte Prozess ebenso wichtig. «Beim Vorlesen zum Beispiel fliessen meist die Tränen.»

Ins Leben gerufen hat das Projekt Lebensspiegel die Andreas Weber Stiftung. Diese wurde Ende 2016 gegründet. Sie fördert Projekte, die der ganzheitlichen Begleitung und Betreuung von Menschen mit unheilbarer Krankheit dienen. Beim Lebensspiegel-Projekt übernimmt sie die Spesen der ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie den Lohn für Stygers kleines Pensum. Für Betroffene ist das Angebot kostenlos. Geografisch beschränkt es sich vorerst auf das Zürcher Oberland.
Andreas Weber Stiftung, palliative zh+sh, sa