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Medienschau März 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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05. April 2022
Sterben, Tod und Trauer: Im Monat März durften wir spannende Reportagen lesen und philosophischen Gesprächen lauschen. Da war aber auch eine aktuelle Nachricht, welche palliative zh+sh besonders intensiv beschäftigte.
palliative zh+sh hat sich in den vergangenen Wochen stark gemacht für die Erhaltung der Villa Sonnenberg, dem Kompetenzzentrum für Palliative Care in Affoltern. Dies, nachdem die Gesundheitsdirektion dem Spital Affoltern nur noch einen Leistungsauftrag bis Ende 2025 erteilt hat. Damit ist auch das dazugehörige Zentrum für Palliative Care massiv gefährdet. Das Pressecommuniqué, welches Geschäftsleitung und Vorstand von palliative zh+sh am 22. März an die Medien schickten, stiess auf grosses Echo. Unter anderem finden Sie Artikel in der NZZ, medinside und auf pallnetz.ch. Die entsprechenden Links sind wie immer im Kästchen «Weitere Informationen». Überwältigend war die Reaktion in den Sozialen Medien. Wir als Interessenvertreter sind froh, dass eine öffentliche Diskussion um das Weiterbestehen der Villa Sonnenberg lanciert ist.
«Im Meer des Leidens finden sich Inseln des Glücks»

Wie wichtig Palliative Care ist, zeigt auch das Interview der Zeitung «reformiert» mit dem Seelsorger Simon Peng-Keller. Darin geht es unter anderem um die Frage, ob Leiden einen Sinn hat. Man sollte das Leid nicht relativieren und erklären wollen, sagt Peng-Keller. Hilfreich sei es meist, präsent zu sein und dem Schmerz nicht auszuweichen. Das Wertvollste, was Seelsorgende, aber auch jeder und jede von uns zu leisten vermöge, sei mitauszuhalten. Und manchmal könne man auch zur Klage ermutigen.
Soll man mit Betroffenen auch über einen möglichen Sinn ihres Leidens sprechen? Ja, meint der Seelsorger. Es gäbe Studien, die zeigen, dass sich bei einer schweren Krankheit die Werte in Richtung Selbsttranszendenz verschiebten. Bei einigen Schwerstkranken führe die Konfrontation mit Leiden und Tod zu einer Verdichtung, einer Vertiefung des Lebens. Sie erzählten dann, dass trotz schwerer Krankheit etwas möglich wurde, was sie vorher nicht leben konnten. «Und in Grenzsituationen, die mit grossem Leid verbunden sind, können sich paradoxerweise Erfahrungen intensiven Glücks einstellen, etwa in der Nahtoderfahrung.»
Das Interview geht auch auf die Frage ein, weshalb sich manche Menschen für den Suizid entscheiden, wo doch mit der heutigen Medizin Schmerzen gelindert werden können. Oft sei es die Angst vor Ohnmacht und dem Gefühl, das Leben werde sinnlos, wenn sich die Handlungsmöglichkeiten einschränken, sagt der Professor, der seit 2015 Spiritual Care an der Universität Zürich lehrt. Studien würden belegen, dass aus dem Gefühl der Sinnlosigkeit oft suizidale Gedanken entstünden. Es sei wichtig, diese anzusprechen und ernst zu nehmen sowie auf Unterstützungsmöglich-keiten hinzuweisen und diese nach Möglichkeit auch anzubieten.

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Der Aargauer Pfarrer Dieter Gerster arbeitet in einem Spitex-Team mit. Für unheilbar Kranke bieten einzelne Spitex-Organisationen spezialisierte palliative Pflege mit ausgebildeten Fachspezialistinnen und -spezialisten. Der reformierte Oftringer Pfarrer ist schon seit längerem offizieller Seelsorger im Spital Zofingen, doch er ist auch erster Spitex-Seelsorger des Kantons. Seit rund einem Jahr unterstützt er mit seiner Arbeit die Suhrentaler Spitex, welche die erste im Aargau war, die über ein 24-Stunden-Angebot verfügte. Innovation ist hier also kein leeres Wort. Ein offenes Ohr gehört zur Arbeit einer palliativen Pflegefachperson – und doch geht manchmal das Bedürfnis eines Patienten darüber hinaus. Mit Dieter Gerster ist nun ein spirituell und religiös ausgerichtetes Gespräch möglich – jedoch nicht ausschliesslich, wie der Pfarrer betont. «Auf der Palliative-Abteilung des Aktutspitals besuche ich die Reformierten aus Oftringen als Gemeindepfarrer», erklärt er. «Im Rahmen der Spitex-Besuche habe ich einen anderen Hut an.» Dann gehe er alle besuchen, egal, welcher Religion oder Konfession die Patienten angehörten. In erster Linie gehe es dort um den Menschen, und der könne auch das Gespräch lenken und die Themen bestimmen. Trotzdem haben viele Menschen Hemmung, die Unterstützung eines Pfarrers anzunehmen. Doch Gerster lässt sich davon nicht beirren: «Es reicht, wenn der Patient weiss, dass das Angebot existiert, denn meist muss er erst eine Weile darüber nachdenken. Vor allem soll er aber frei entscheiden können.» Schon oft hat der Pfarrer auch zu den Skeptischen Zugang gefunden.
Noch handelt es sich um ein Pilotprojekt. Die zweijährige Pilotphase ermöglichen Gelder aus einem Legat an die reformierte Kirche. Soll die Angliederung der Seelsorge an die Palliativ-Spitex weitergeführt werden, so müsste der Kanton Budget bereitstellen. Erste Gespräche hierfür fanden bereits statt.
«Aber wenn du abfliegst, dann komm bei mir vorbei und klopf noch rasch ans Fenster»

Eine berührende Reportage zur Palliative Care war im Monat März in der «Basler Zeitung» zu finden. Es ist die Geschichte des Freiwilligen Beni Reimann, welcher die 93-jährige Gertrud in ihren letzten Lebensjahren begleitet. Seit über einem Jahr engagiert sich der pensionierte Lehrer in einem Begleitdienst. Wenige Tage vor dem Termin mit der Journalistin stürzt Gertrud in ihrer Wohnung und wird demnächst in ein Pflegeheim ziehen. Auch dort wird Beni Reimann sie einmal pro Woche für einen gemeinsamen Ausflug abholen. Und sie auch dann besuchen, wenn sie irgendwann nicht mehr aufstehen kann. «Bis zum Tod, das ist klar», sagt er.
Vor Gertrud hat Beni bereits eine andere Frau regelmässig besucht. Beni ging mit ihr ins Kunstmuseum und lachte viel mit der alten Dame – auch dann, als sie nicht mehr sprechen konnte. Im Dezember ist die Frau gestorben. Beni war bis zum Schluss an ihrer Seite. So will er, der keine Berührungsängste mit dem Thema Tod kennt, es auch bei Gertrud machen, wenn es so weit ist.
Beni leistet diese Freiwilligenarbeit gern. Er bekomme menschlich viel zurück. Mit Gertrud sei rasch eine Freundschaft entstanden, die auch er geniesse. Er kritisiert die Gesellschaft dafür, dass sich nicht mehr Menschen um andere kümmern. «Man hat das Gefühl, viele denken nur an sich selbst. Frauen sind zwar meist unterwegs und bringen sich irgendwie ein. Aber wir haben in unserer Gesellschaft so viele Männer, die einfach nichts beitragen.» Dies will er anders machen. Gertrud selber möchte nur wenn unbedingt nötig ins Pflegeheim. Lieber wolle sie vorher davonfliegen, sagte sie, als sie im Spitalbett lag. Bei Beni darf sie solche Dinge aussprechen, er hält das aus. «Aber wenn du abfliegst, dann komm bei mir vorbei und klopf noch rasch ans Fenster», antwortete er.

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Das Alterszentrum Frohmatt in Wädenswil wird mit dem Label «Qualität in Palliative Care» ausgezeichnet. Für dieses braucht es ein hohes Mass an Teamarbeit und Koordination sowie geeignete Angebote in Palliative Care. Das Qualitätslabel wird nur an Institutionen vergeben, die hier besondere Anstrengungen unternehmen. Das Team der Frohmatt arbeitet seit Jahren in allen Bereichen aus Überzeugung und mit viel Fachwissen nach dem Motto «Frohmatt – Leben».
«Sterben ist eingebettet in unsere Lebensaufgabe»

Immer mehr Menschen haben den Wunsch, zu Hause zu sterben. Im Kanton Freiburg bietet das mobile Palliative-Care-Team Voltigo dafür seit 2013 Unterstützung an. In einem Gespräch mit den «Freiburger Nachrichten» erzählt der spezialisierte Pflegefachmann Hans-Georg Fiedeldeij, worum es dabei geht. Er selbst arbeitet seit dem Start der Freiburger Palliative Care bei Voltigo. «Wir stellen die Palliativversorgung sicher. Alle Menschen im ganzen Kanton dürfen Anspruch erheben auf die Betreuung durch Palliative Care», sagt der Pflegefachmann im Interview. Für ihn ist es immer ein schöner Moment, wenn die Menschen selbstbestimmt gehen können.«Sie gehen ihren Weg so, wie sie sich das von innen heraus erspüren. Und wenn die Angehörigen dies erkennen, mittragen und auch bewundern, dann finde ich das immer sehr schön.»
Auf die Frage, wie es für ihn sei, ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein, meint Fiedeldeij: «Das ist genau das – die Konfrontation mit dem Tod polarisiert. Der Tod löst den anderen Pol aus. Und das ist die Lebendigkeit.» Diese Lebendigkeit, die spüre man dringlicher und intensiver, wenn der Tod vor den Augen stattfinde. Und das löse die Spannung aus zwischen beidem. «Deshalb sage ich immer, dass der Tod ein Lebensprozess ist. Weil ich glaube, dass viele Menschen im Tod mehr Lebendigkeit spüren als je zuvor in ihrem Leben.» Den Pfleger fasziniert, wie sich alles nochmals verdichtet im Sterbeprozess. Emotionen, Gedanken, auch das Dunkle und die Angst vor dem Nichts. «Und gleichwohl haben die Menschen eine tiefe Hoffnung, eine tiefe Sehnsucht, und das löst Lebendigkeit aus.»

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Sie gilt als eine der wichtigsten deutschen Dichterinnen und Denkerinnen der Gegenwart: Nora Gomringer, bekennende Katholikin, schreibt: «Ich bin die Christin, die die weissen Westen der Diener Gottes anschwärzt.» Damit wühlt die schweizerisch-deutsche Lyrikerin einmal mehr auf und eckt an. In «Sternstunde Religion» von Fernsehen SRF spricht sie über ihren neusten Gedichtband «Gottesanbeterin», in welchem sie über den Tod, ihren christlichen Glauben und den Verlust eines Freundes schreibt. Wie verändert einen ein solcher Abschied? Was ist Trauer? Was Heimat? Und kommt diese angesichts des Todes eines geliebten Menschen abhanden? Journalistin Olivia Röllin spricht mit der Bachmann-Preisträgerin über das Verstummen in der Trauer, das Leiden und den Tod. Eine spannende und wortstarke «Sternstunde Religion».
palliative zh+sh, Bettina Weissenbrunner